GEORG BIRONSchriftsteller aus WienVon: Aveleen Avide
"Für Hobbys habe ich keine Zeit!"
Georg M. Biron: Von der Sozialbausiedlung zum Schriftsteller. In die Ost-Staaten kam er durch den Chef eines Reisebüros, dessen Freundin er gevögelt hat, sagt er im Interview. Er hat mit einer Nutte in Florenz gelebt und für den "Playboy" Geschichten geschrieben. Elfriede Jelinek hat er in einen Schrank gesperrt. Warum? Das ist spannend!
Georg M. Biron ist Schriftsteller, Journalist, Drehbuchautor, Schauspieler, Regisseur und Kulturproduzent. Er hat Jura und später Publizistik studiert. Georg M. Biron wurde am 18. Oktober 1958 in Wien geboren, wo er auch heute lebt. Was er alles in seinem Leben gemacht hat, werde ich nur anreißen können. Laut Wikipedia, falls das stimmt, wurdest du in einer Sozialbausiedlung geboren, kamst dann auf das Bundesrealgymnasium. 1977 hast du deine Matura gemacht. Sozialbausiedlung und dann Gymnasium. Das schafft doch sicher kaum jemand. Was hat dich herausgebracht? GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Dort saß damals der Schriftsteller Peter Henisch in der Redaktion, der mir zur ersten Veröffentlichung und zu meinem ersten Texthonorar verhalf. Ich weiß noch: Es war ein unglaubliches Gefühl, mein Gedicht und meinen Namen gedruckt zu sehen – und dafür auch noch ein bisschen Geld zu bekommen. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Dafür war er sehr dankbar, und ich war dafür dankbar, dass ich all diese entlegenen touristischen Destinationen kennen lernen durfte. Dass er während meiner Abwesenheit dann meine Freundin gevögelt hat, war aber nicht ausgemacht. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Ich habe 1985 mit ihr ein großes Interview für „Die Zeit“ gemacht, das als eines der offenherzigsten Interviews gilt, das die Elfriede Jelinek je gegeben hat. Mittlerweile sehe ich sie leider sehr selten, wir laufen uns vielleicht einmal im Jahr zufällig in der Innenstadt von Wien über den Weg. Aber ich sehe seit Jahren ihre Theaterstücke und lese ihre Texte und habe mich sehr darüber gefreut, als sie 2004 den Literaturnobelpreis bekam. Ich werde aber nie die Party in den 1970er Jahren vergessen, bei der ich dabei sein durfte. Ein paar Künstler haben sich damals gründlich angesoffen, auch die junge Jelinek war dabei, wenn auch nüchtern, und plötzlich hat es an der Türe geläutet, und die eifersüchtige Freundin eines Künstlers stand keifend vor der Tür. Sie durfte die Jelinek nicht sehen, also hat sich die Jelinek im Kleiderschrank versteckt, und wir haben hinter ihr abgesperrt. Die Freundin kam tobend rein, schaute sich in der Wohnung um und war beruhigt, weil keine weibliche Konkurrenz anwesend war. Dann haben wir gemeinsam die Wohnung verlassen und sind zum Naschmarkt gegangen, um dort weiter zu saufen. Erst später ist uns aufgefallen, dass wir die Jelinek im Schrank vergessen haben. Einer von uns ist dann zurück in die Wohnung gegangen, um sie zu befreien. Es war sicherlich ein weiter Weg von diesem Kleiderschrank zum Nobelpreis ... AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Ich schrieb meine Storys für den deutschen „Playboy“, und sie machte das, was sie am besten konnte, danach waren wir in den besten Lokalen der Stadt unterwegs, haben Steaks gegessen, Rotweine getrunken und junge Touristinnen und Touristen abgeschleppt. Es war ein sündhaft schöner Ausflug in die Verantwortungslosigkeit. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: In Wien und München waren die Leute mit ihren Lacoste-Hemden und den Surfbrettern auf ihren VW Golfs, vor allem aber mit ihren Karrieren beschäftigt. Diese aufgekratzte Spießigkeit schien mir damals kein guter Stoff für Literatur und kein spannendes Lebensumfeld zu sein, und dann habe ich im Kino den Film „Under Fire“ über Kriegsberichterstatter in Lateinamerika gesehen, und zum 25. Geburtstag schenkte mir ein Freund den Malcom-Lowry-Roman „Unter dem Vulkan“, der in Mexiko spielt. Wenig später war ich in Mexiko und in Belize unterwegs und kriegte dort mit, dass israelische (!) Jets in Honduras stationiert waren und im Auftrag der USA Angriffe gegen die Sandinisten in Nicaragua flogen. Mir gelang es damals, zu einem geheimen Luftwaffenstützpunkt in Honduras vorzudringen und Fotos von den Jets mit dem David-Stern zu machen – das war eine Story, die in Europa kaum jemand für möglich hielt. Die ganze Region war damals instabil. Die Situation in Guatemala eskalierte, weil die Militärdiktatur unter Präsident Efrain Rios Montt 10.000 Indios abschlachtete. Auch in El Salvador wurde ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung geführt. Die USA besetzten die Insel Grenada – es gab also jede Menge zu berichten. Und ich hatte Glück: Ich überlebte. Es war wohl eine Mischung aus Männlichkeitswahnsinn und Todessehnsucht, falsch verstandener Romantik und irrwitziger Abenteuerlust, die mich damals in diese Gegenden brachte. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Ich habe viele literarische Reisereportagen verfasst, das war früher noch eher möglich als heute, weil die Magazine größere Redaktionsbudgets hatten und sich solche Storys, bei denen Kosten für Reisen, Unterkunft und Verpflegung angefallen sind, leisten konnten. Ich habe dann auch Kurzgeschichten geschrieben, die in verschiedenen Ländern spielten, bin mit meinem Tonbandgerät gereist und habe zusätzlich Features fürs Radio gemacht, später dann auch Videoproduktionen fürs Fernsehen oder für Web-Portale. Das Image des Reiseschriftstellers, der die Welt bereist und seine Erfahrungen zu Papier bringt, ist völlig veraltet. Unterm Strich geht es immer ums Geld: Wie kann man eine Reise finanzieren und wer kauft einem die Story ab? Das ist übrigens bei Kriegsberichten genau so. Doch natürlich kann man Erlebnisse, die man auf Reisen hat, in Romane oder Erzählungen einbauen. Das habe ich immer getan. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Mit 16 und 17 muss man plötzlich Anzug und Krawatte tragen, weil man die ersten Literaturpreise erhält, es folgt der „Theodor Körner Preis für Literatur“ und die ersten Überheblichkeiten. Die Studienrichtungen Jus, Publizistik und Theaterwissenschaften erweisen sich als Irrtum, und dann stellt sich die große amerikanische Frage: „Wo ist das Geld?“ Z. B. in der Welt der Zeitungen. Aber was hat das alles mit de Sica, Fellini und Lelouch zu tun? Nix! Eben. Das Handwerk des Drehbuchschreibens will erlernt werden. Am besten bei den Amis, weil das können die zumindest in der Theorie am besten. Also: Auf nach Hollywood, eigenes Geld in die Hand nehmen, an teuren Workshops teilnehmen und dabei sehr viel lernen. Nach ersten Büchern für Kurzfilme für ORF und Bayerischer Rundfunk wurde von Regisseur Peter Patzak für das ZDF meine Erzählung „Waikiki“ für das Hauptabendprogramm verfilmt, und am Drehbuch durfte ich mitschreiben. Kein schwaches Debüt, immerhin folgten eine Nominierung beim Grimme-Preis und danach zehn abwechslungsreiche Jahre mit Patzak. Neben verschiedenen Drehbüchern für Fernsehfilme gab es einen Job bei RTL für ein Serienkonzept, Drehbücher für das ORF-Magazin „Schöner leben“, Einsätze als Script-Doctor bei den Drehbüchern von Kollegen und etliche Seminare und Workshops, in denen ich das Theoretische des Drehbuchschreibens für die Studenten zur Praxis werden ließ. Gut Ding braucht eben Zeile. Aber: Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Und zwischen diesen beiden Extremen entsteht vielleicht irgendwo ein guter Film. Ein Film fürs TV. Ein Film fürs Kino. Eine Doku. Oder auch eine P.R.-Produktpräsentation. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Beim Film kann man zack-zack in der Zeit hin und her springen und binnen weniger Minuten rund um die Welt hüpfen, wenn z.B. eine Szene in Tokyo und die nächste in Berlin spielt. Um das für eine Bühne zu realisieren, bräuchte es eine andere Form von Theater. Aber ich inszeniere gerne Stücke von anderen Autoren, wie ich es zuletzt von Wolfgang Bauer („Massaker im Hotel Sacher“), Werner Schwab („Planet Schwab“) oder Karl Schönherr („Der Weibsteufel“) getan habe. Die Arbeit mit einem Schauspielensemble kann wunderschön sein. Vielleicht lässt man mich ja irgendwann auch einmal bei einem Kinofilm Regie führen ... AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON:
GEORG M. BIRON: In „Quasi Herr Karl“ geht es lt. Amazon.de um: Hier finden Sie weitere Informationen: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: 2008 habe ich „zum 80er“ von Qualtinger ein Lese-Programm mit den besten Texten zusammengestellt und in der Folge an mehreren Theatern gemeinsam mit den Schauspielern Karlheinz Hackl, Karl Merkatz, Hanno Pöschl, Robert Reinagl, Katharina Stemberger und Erwin Steinhauer Texte von Qualtinger vorgetragen. Dabei kam mir die Idee zum Buch „Quasi Herr Karl“, ich habe es 2010 dem Braumüller Verlag vorgeschlagen, und im Herbst kam das Buch auf den Markt und war auf Anhieb in den Bestenlisten – allerdings nur in Österreich, weil der Verlag in Deutschland zu wenig Potenz hatte. Quatlinger findet man auch auf youtube: http://www.youtube.com/watch?v=RfLYWZ4uFrs AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: Deshalb führte ich in geraffter Form wichtige Ereignisse und Kleinigkeiten aus diesem Jahr an, um das Bühnenbild für die Ereignisse zu schaffen: 1961 beträgt die Gesamtzahl der Weltbevölkerung 3,08 Milliarden Menschen (1,54 Milliarden Männer und 1,53 Milliarden Frauen ). In Hollywood werden die begehrten Oscars vergeben – an den Film „Das Appartement“ und seinen Regisseur Billy Wilder, an Burt Lancaster für seine Darstellung in „Elmer Gantry“ und an Elizabeth Taylor für ihr Spiel in „Telefon Butterfield 8“. Die besten Nebendarsteller sind Peter Ustinov („Spartacus“) und Shirley Jones („Elmer Gantry“). Elvis Presley ist mit seinem Lied „Are You Lonesome Tonight?” für sechs Wochen Nummer eins in der amerikanischen Hitparade, und Peter Alexander ist mit der Cover-Version davon „Bist du einsam heut' nacht?“ in Deutschland in den Charts. Atomwaffengegner marschieren bei „Ostermärschen“ in der Bundesrepublik gegen die atomare Aufrüstung. Für Nahrungsmittel steht den Menschen mehr Geld als früher zur Verfügung. Der Verbrauch von Fleisch, Milch, Eiern und Butter steigt. Immer öfter wird zu Tiefkühlkost gegriffen, die zwar teurer ist als frische Ware vom Markt, aber schneller zubereitet werden kann. Gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann endet in Jerusalem der Prozess wegen des Völkermordes an den europäischen Juden mit der Todesstrafe. Eine vom US-Geheimdienst CIA geplante Invasion von 1.500 Exil-Kubanern in der Schweinebucht auf der von den Revolutionären rund um Fidel Castro und Ernesto Che Guevara übernommenen Karibikinsel Kuba scheitert. Marilyn Monroe spielt (nach einem Drehbuch von Ex-Ehemann Arthur Miller) in John Hustons Film „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“ an der Seite von Clark Gable. Es ist ihr letzter Film. Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin startet mit einer Wostok-Rakete als erster Mensch ins Weltall und umrundet die Erde in 108 Minuten. Das erste deutsche Atomkraftwerk im bayrischen Kahl geht nach drei Jahren Bauzeit ans Netz. Beim Großen Preis von Italien verunglückt der deutsche Rennfahrer Graf Berghe von Trips tödlich. Dabei sterben am Streckenrand auch 15 Zuschauer. Der von Depressionen und Alkoholismus geplagte Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway erschießt sich mit einem Gewehr in seinem Haus in Ketchum, USA. Das Brandenburger Tor, ein stark frequentierter Grenzübergang zwischen Ost- und West-Berlin, wird von der DDR geschlossen. Der Bau der Berliner Mauer beginnt. Der deutsche Kanzler Konrad Adenauer fordert Atomwaffen für die Bundeswehr und wird daraufhin zum vierten Mal als Kanzler gewählt. US-Präsident John F. Kennedy beendet die Rassentrennung in den USA. Der 19jährige schwarze Boxer Cassius Clay startet eine Profikarriere und siegt in acht Kämpfen, davon sechs durch K.O. Die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann veröffentlicht ihr Buch „Das dreißigste Jahr“. Die USA beginnen sich als Militärberater in Vietnam zu engagieren. Nach Tausenden Fällen von Missbildungen bei Neugeborenen wird das von der Firma Grünenthal GmbH auf den Markt gebrachte Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan vom Markt genommen. Das Ehepaar Betty und Barney Hill erzählt, sie seien von Außerirdischen entführt und in einem UFO etlichen Tests und auch chirurgischen Eingriffen unterzogen worden. In Afrika wird Patrice Lumumba, der Führer der Unabhängigkeitsbewegung des Kongo, ermordet. Hinter der Tat stehen Geheimdienstmitarbeiter aus Belgien und den USA. Sissi-Darstellerin Romy Schneider gibt in Luchino Viscontis Episodenfilm „Boccacio 70 – Der Job“ eine Hure und schockiert damit ihre Fangemeinde. In Honolulu, Hawaii, wird Barack Obama geboren. Im Königreich Laos sorgt der Bürgerkrieg zwischen den Regierungstruppen und den Kommunisten für eine ernste internationale Krise. Im Juni 1961 blickt die ganze Welt auf Wien: Ein Gipfeltreffen des sowjetischen Führers Nikita Chruschtschow und des jungen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy widmet sich dem „Kalten Krieg“. Außenminister Bruno Kreisky freut sich über das internationale Ansehen und die „Aufwertung des Begriffs der österreichischen Neutralität“. Die USA lehnen die Forderung nach einem Abzug der Westmächte aus West-Berlin ab. Das Treffen endet ohne Resultat. Jackie Kennedy besucht die Porzellanmanufaktur Augarten und die Spanische Hofreitschule. Die USA und die Sowjetunion nehmen ihr Atomtestprogramm wieder auf. Papst Johannes XXIII. verkündet die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils. AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: GEORG M. BIRON: AVELEEN AVIDE: --------------------------------------------------------------------------------------------------- 22.11.2013
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